Haushaltsrede 2021

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Ratskolleginnen und Ratskollegen,
meine Damen und Herren,

Wieder liegt uns ein Haushaltsentwurf vor, der scheinbar mit einem – wenn auch recht geringen – Überschuss abschließt. Scheinbar deshalb, weil er in Wirklichkeit ein erschreckendes Defizit von rund eineinhalb Millionen Euro darstellen müsste. Denn der Ausgleich wird nur durch einen Buchungstrick erzielt, zu dessen Anwendung uns das NKF-COVID-19-Isolierungsgesetzes verpflichtet. Durch diesen Trick werden alle pandemiebedingten Mehrausgaben und Mindereinnahmen buchhalterisch isoliert – also ausgeblendet, besser gesagt: versteckt -, indem über 1,7 Millionen Euro pandemiebedingte Mehrbelastungen als außerordentliche Erträge gebucht werden. In der Realität fehlen uns jedoch diese Finanzmittel, Buchungstrick hin oder her! Auch in den drei folgenden Finanzplanungsjahren sind die dargestellten Ertragsüberschüsse nur unter Anwendung dieses Tricks möglicherweise erreichbar. Folglich sind die dargestellten positiven Jahresergebnisse mehr Schein als Sein. Spätestens zu Beginn der kommenden Ratsperiode im Jahr 2025 werden uns dann über fünf Millionen Euro, die sich bis dahin als eben jene sogenannten außerordentlichen Erträge angehäuft haben, „auf die Füße fallen“, weil sie dann wieder aufgelöst werden müssen. Somit bürden wir schon heute dem zukünftigen Stadtrat das Problem auf, zu entscheiden, welcher Weg beschritten werden sollte, um diese Summe wieder aufzulösen, ohne künftig den Haushaltsausgleich zu gefährden oder gar die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt wieder stärker zu belasten. Er wird dann entscheiden müssen, ob durch eine einmalige Verrechnung das Eigenkapital schlagartig um rund 5,2 Mio. Euro vermindert oder ob die Auflösung über viele Jahre gestreckt und somit diese Summe der nächsten Generation aufgehalst wird.
Übel aufgestoßen ist mir Mitte dieses Monats ein Pressebericht über die Finanzmittel des Kreises, zu denen alle Kommunen – ob reich oder wie unsere Stadt äußerst finanzschwach – kräftig beitragen müssen. Während Spenge fiskalisch mehr schlecht als recht von der Hand in den Mund lebt, erlaubt sich der Kreis den Luxus, mehrere zehn Millionen Euro (die NW spricht von rechnerisch 42,2 Millionen) als Guthaben auf den Girokonten zu bunkern und dafür Strafzinsen in Kauf zu nehmen. Überspitzt gesagt: Wir nehmen Kassenkredite auf, um nicht nur Aufgaben des Kreises zu finanzieren, sondern auch dessen Strafzinsen, die allein im vergangenen Jahr rund 211.000 Euro betragen haben. Da unsere Stadt rund sieben Prozent zum Kreishaushalt beiträgt, müssen wir indirekt mehr als 14.000 Euro Strafzinsen für die Guthaben des Kreises tragen. Für mich ein Unding!
Natürlich weiß ich, dass der Kreis Aufgaben auch für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt finanziert. Jedoch halte ich das Argument aus der Kreisverwaltung, dass „die Höhe der Guthaben im Jahresverlauf stark schwankend“ sei, über die Girokonten laufende Zahlungen wie Kita-Gebühren und Strafgebühren sowie Gehaltszahlungen liefen, wodurch sich die Schwankungen der Guthaben erklärten, für wenig stichhaltig, da auch unsere Stadt Steuern, Gebühren, Zuwendungen usw. erhält, ohne gleich Millionen anzuhäufen, die zur Zahlung von Strafzinsen führen. Besonders ärgerlich ist für mich, dass der Kreis sogar Strafzinsen in sechsstelliger Höhe in seinem Haushalt einplant. Wenn er derart im Geld schwimmt, dass er mit hohen Strafzahlungen kalkuliert, während wir ständig um den Haushalts­ausgleich fürchten müssen, ist es legitim zu fordern, dass sich die Kreistagsabgeordneten – die ja schließlich auch Vertreter ihrer Kommunen sind – viel stärker als bisher dafür einsetzen, dass die Städte und Gemeinden unseres Kreises durch eine Senkung der Hebe­sätze für die allgemeine Kreisumlage entlastet werden.
Auch unsere Stadt kann tätig werden mit dem Ziel, hohe Kontoguthaben und auch uns belastende Strafzinsen des Kreises zu vermeiden. Daher fordere ich den Bürgermeister auf, die Initiative zu ergreifen, dass die Kreisumlagen oder Teile davon zukünftig sukzessive nur dann abgerufen werden, wenn es notwendig ist.
Im Gegensatz zum eben erwähnten Bericht hat mich eine andere Pressemitteilung erfreut, nämlich dass sich nun endlich auch unsere Verwaltung auf den Weg zu einem digitalen Rathaus machen möchte. Nachdem wir unsere Schulen digitalisiert haben, wird es Zeit, meiner seit Jahren vorgetragenen Forderung zum Aufbau einer digitalen Verwaltung nachzukommen. Speziell die Situation während der aktuellen Pandemie beweist doch den dringend erforderlichen Umbau der Verwaltungswege weg vom analogen hin zum digitalen Verwaltungshandeln.
Zurück zum vorliegenden Haushaltsentwurf. Erfreulich ist, dass das ausgeglichene Ergebnis ohne Steuererhöhungen dargestellt wird. Ich erwarte, dass diese auch künftig trotz der durch die COVID-19-Pandemie schwer zu kalkulierenden finanziellen Auswirkungen vermieden werden können. Als Freier Demokrat stehe ich selbstredend eher für weitere Schritte zur Absenkung der Grundsteuern als für zusätzliche Belastungen der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt.
Trotz der pandemiebedingten unsicheren Haushaltslage sind zahlreiche erhebliche investive Maßnahmen geplant. Beispielhaft nenne ich die Sanierung der Außenfassade der Werburg-Scheune, Maßnahmen zur barrierefreien Modernisierung von ÖPNV-Haltestellen, die Erweiterung der OGS in der GS Spenge/Hücker-Aschen, die Renaturierung des Besebaches sowie die Erweiterung bzw. den Neubau der Feuerwehrgerätehäuser in Lenzinghausen und Hücker-Aschen. Alle Vorhaben – auch die nicht genannten – halte ich für sinnvoll und nachhaltig, wobei ich jedoch bezweifle, dass 100.000 Euro für den Bau einer Fahrzeughalle in Hücker-Aschen für ein großes Feuerwehrfahrzeug incl. Werkstatt für den Gerätewart auskömmlich sein werden angesichts der Tatsache, dass für die Optimierung der Garagensituation hinter dem Rathaus ein Jahr später sogar 150.000 Euro veranschlagt worden sind.
Auch die sukzessive Erhöhung des Betriebskostenzuschusses für die Sparte Infrastruktur des Wirtschaftsbetriebes Spenge findet meine Zustimmung, um hier in absehbarer Zeit ein ausgeglichenes Jahresergebnis erreichen zu können.
Erfreulich ist, dass der Weg der konsequenten Entschuldung zumindest bei den Investitionskrediten weiterhin beschritten wird. Dagegen bereitet mir Sorgen, dass die Liquiditätskredite auf hohem Niveau stagnieren. Da selbst der Bund, der zurzeit mit dem Schuldenmachen sogar Geld verdient, mit einer Trendwende in der Zinspolitik und mit wieder anziehenden Zinsen rechnet und deshalb in seinem Haushaltsplan die Summe für erwartete Zinsausgaben erhöht hat, sind die Zinsrisiken für unsere Stadt trotz des eingerechneten Sicherheitsbeitrags erheblich geworden. Sollte es tatsächlich zu einer Zinswende kommen, wird sich der geringe prognostizierte Haushaltsüberschuss schnell in einen Fehlbetrag verändern.
Alles in allem scheint mir der vorliegende Haushaltsentwurf ausgewogen zu sein. Die Investitionen sind schlüssig, die Aufwendungen nachvollziehbar. Einsparpotenzial sehe ich in Sachen interkommunaler Zusammenarbeit, z.B. im Beschaffungswesen. Ich könnte mir vorstellen, dass bei gemeinschaftlicher Anschaffung von beweglichem Anlagevermögen wie z.B. unterrichtstaugliche Luftfilter für die Schulen, die ich nach wie vor für erforderlich halte, wegen größerer Stückzahlen Einspareffekte erzielt werden könnten. Zudem meine ich, dass die Idee der CDU-Fraktion, sich von überschüssigen Gebäuden, die während der Flüchtlingskrise erworben wurden, wieder zu trennen, nicht von der Hand zu weisen ist. Denn nahezu leerstehende Gebäude zu unterhalten, verursacht überflüssige Kosten für Instandhaltung und Bewirtschaftung, die wir uns ersparen sollten.
Ich komme zur Zusammenfassung und Quintessenz meiner Ausführungen:
Der Kernhaushalt scheint ausgeglichen zu sein, wenn auch mithilfe eines Buchungstricks, zu dem uns das Land verpflichtet.
Steuererhöhungen sind nicht vorgesehen.
Die geplanten Investitionen sind sinnvoll, da notwendig und nachhaltig. Dennoch gibt es bei den Investitionskrediten keine Netto-Neuverschuldung.
Die Liquiditätskredite sind weiterhin besorgniserregend hoch und mit einem Zinsrisiko behaftet, wodurch der Haushaltsausgleich gefährdet sein könnte.
Nach vielen Jahren des Verzehrs wächst erfreulicherweise das Eigenkapital wieder.
Einsparpotenziale sehe ich durch interkommunale Zusammenarbeit. Zusätzliche Einnahmen könnten durch die Veräußerung überschüssiger Gebäude erzielt werden.
Insgesamt liegt uns ein solider Haushaltsentwurf vor mit etlichen Unsicherheiten, die jedoch der pandemischen Lage geschuldet sind, auf die wir keinen Einfluss haben. Somit kann ich diesem Entwurf zustimmen.

Rainer Kalla


21. Mai 2021

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