Haushaltsrede 2023

Stellungnahme zum Haushaltsplanentwurf 2023 der Stadt Spenge

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Ratskolleginnen und Ratskollegen,
meine Damen und Herren,

als Frau Jenniches während der letzten Ratssitzung den Haushaltsentwurf für dieses Jahr einbrachte, verursachten die Eckdaten und das Ergebnis sicherlich nicht nur bei mir ein gehöriges Unbehagen. Denn dieser Entwurf schließt scheinbar mit einem Defizit von „nur“ rund 1,9 Millionen Euro, real aber mit mehr als minus 5,9 Millionen Euro ab. Der Buchungstrick mit den sogenannten „außerordentlichen Erträgen“ in Höhe von mehr als vier Millionen Euro verschönt nämlich optisch das wahre Ausmaß der finanziellen Situation. Denn auch diese „außerordentlichen Erträge“ sind in Wahrheit Ausgaben bzw. fehlende Einnahmen, die die Kassenlage deutlich verschlimmern.

Somit ist festzuhalten:
Noch nie war das Haushaltsdefizit höher als in diesem Jahr!

Betrachtet man den Haushaltsentwurf näher, ist festzustellen, dass wir sowohl ein Einnahme- als auch ein Ausgabeproblem haben.

Die Ursachen des Einnahmeproblems sind schnell ausgemacht. Die eigenen kommunalen Steuern sind es nicht, denn es wird mit ähnlichen, eher leicht steigenden Realsteuererträgen gerechnet wie im vergangenen Jahr. Auch die Erträge aus den Gemeindeanteilen an der Einkommen- sowie der Umsatzsteuer sind es nicht, die insgesamt gegenüber 2022 mit einem Zuwachs von mehr als einer viertel Million Euro veranschlagt worden sind. Vielmehr sind es die stark reduzierten Zuwendungen des Landes, die erheblich zu unserem Einnahmeproblem beitragen. So kann unsere Stadt in diesem Jahr trotz deutlich erhöhter Verbundmasse nur noch mit Schlüsselzuweisungen von gut zweieinhalb Millionen Euro rechnen gegenüber fast 3,1 Millionen Euro im vergangenen Jahr und mehr als 3,8 Millionen Euro im Jahr 2021. Zu behaupten, dass Spenge in den vergangenen Jahren steuerkraftstärker geworden ist und somit weniger Mittel aus dem Finanzausgleich bedarf, wäre doch lächerlich. Es ist schon erstaunlich und erschreckend zugleich, wie schnell die Landes-CDU ihre früheren Positionen – vermutlich aus Machtkalkül – geräumt hat und sich offenbar nicht mehr erinnern will, was sie einst versprochen hatte, nämlich den ländlichen Raum zu stärken statt zu schwächen. Infolgedessen ist die jetzige schwarz-grüne Koalition in Düsseldorf für den ländlichen Raum keine Fortschritts-, sondern eine Rückschrittskoalition, weil sie die einstmalige Politik der rot-grünen Regierung unter der Leitung von Hannelore Kraft, die zu Gunsten der großen Städte und zu Lasten des ländlichen Raumes ging, fortsetzt.

Zur Erinnerung: Zu den größten Kritikern dieser Politik gehörte damals die Partei des heutigen CDU-Ministerpräsidenten Wüst!

Wie eingangs gesagt, haben wir jedoch nicht nur ein Einnahme-, sondern auch ein Ausgabeproblem. Das wird vor allem bei der Entwicklung der Kreisumlagen deutlich. So erhöht sich für unsere Stadt die Jugendamtsumlage gegenüber 2022 um mehr als eine halbe Million Euro. Und trotz angekündigter Reduzierungen für die Kommunen müssen wir zudem eine Erhöhung der Allgemeinen Kreisumlage um 700.000 Euro verkraften. Alles in allem muss unsere Stadt über 13 Millionen Euro zum Kreishaushalt beitragen – mehr als 46% unserer ordentlichen Erträge.

Das heißt: Durch diese Zunahmen um insgesamt mehr als 1,2 Millionen Euro sind wir gezwungen, fast jeden zweiten Euro unserer ordentlichen Erträge an den Kreis abzuführen.
Somit ist festzuhalten:

Allein ohne die erheblichen Mindereinnahmen bei den Schlüsselzuweisungen und erheblichen Mehrausgaben durch die Kreisumlagen wäre zumindest ein fiktiver Haushaltsausgleich im Bereich des Möglichen!

Auf die bisher genannten Einnahmeausfälle und Ausgabeverpflichtungen haben wir leider keinerlei Einflußmöglichkeiten: Wir müssen sie zähneknirschend hinnehmen. Doch bei den eigenen Aufwendungen sollten wir uns intensiv fragen:

„Ist in einer Zeit des historisch höchsten Haushaltsdefizits, in der uns bildlich finanziell das Wasser fast bis zum Hals reicht, jede geplante Ausgabe wirklich dringend oder kann sie auf bessere Zeiten verschoben werden?“

Diese Frage sollten wir uns insbesondere bei den Personalaufwendungen, den freiwilligen Leistungen und den geplanten Investitionen stellen.

Nachdem wir jahrelang die Personalkosten bis zur Schmerzgrenze reduziert hatten, ist seit 2017 eine stetige Zunahme der Planstellen zu verzeichnen. Das ist zum einen – wie ich schon beim Tagesordnungspunkt 6 betont hatte – den zunehmenden Aufgabenverpflichtungen der Kommunen geschuldet. Zum anderen anerkenne ich die Bemühungen, rechtzeitig Nachwuchs für ausscheidende Fachkräfte zu sichern. Ob die kalkulierte Erhöhung der Löhne und Gehälter im tariflichen Bereich von sechs Prozent im Jahresdurchschnitt ausreichend ist, wird sich erst später herausstellen, zumal die Gewerkschaften das bisherige Arbeitgeberangebot von acht Prozent abgelehnt hatten. Ob jene nun mit dem Vorschlag der Schlichter einverstanden sind, müssen wir abwarten. Die Zunahme der Planstellen und die kalkulierte 6-prozentige Erhöhung im Jahresdurchschnitt für die Tarifbeschäftigten sowie eine ab Oktober gleichhohe Besoldungsanpassung belasten unseren Haushalt um zusätzliche rund 660.000 Euro. Auf diese Ausgabenmehrung haben wir aus genannten Gründen kaum Einfluss.

Einfluss haben wir jedoch sowohl auf die freiwilligen Ausgaben als auch auf die Investitionsvorhaben. So erschließt sich mir nicht, wieso trotz dramatischer Situation unserer Haushaltslage weitere freiwillige Leistungen beschlossen worden sind, obwohl eigentlich Verzicht das Gebot der Stunde sein sollte. Förderprogramme wie das kostenlose „SchülerTicket Westfalen“ oder ein stark subventioniertes „CityLife-Abo“ können wir nur mit einer Ausweitung der immer teurer werdenden Kassenkredite finanzieren.

Auch bei den Investitionswünschen müssen wir nach Jahren des Haushaltsüberschusses wieder lernen, uns wegen unserer prekären finanziellen Situation zu bescheiden, gegebenenfalls Wünsche zurückzustellen und nur das Notwendigste zu verwirklichen. Zum Notwendigen zählt zweifelsohne die Ertüchtigung der Feuerwehr, die in die Lage versetzt werden bzw. bleiben muss, fortwährend für die Sicherheit der Spenger Bürgerinnen und Bürger da sein zu können. Die Neuanschaffung von Fahrzeugen, Gerätschaften sowie Dienst- und Schutzkleidung gehört für mich daher zu den unstrittigen Investitionen. Ebenso unstrittig sind für mich die Neubauten der beiden Feuerwehrgerätehäuser in Hücker-Aschen und in Lenzinghausen. In diesem Zusammenhang ist zu kritisieren, dass die schwarz-grüne Landesregierung die Förderung von Feuerwehrhäusern beendet hat, obwohl nicht nur in Spenge, sondern landesweit gerade bei Feuerwehrhäusern ein großer Investitionsbedarf besteht. Dass zudem die Sportstättenförderung aus dem Programm für Struktur- und Dorfentwicklung ersatzlos gestrichen wurde, ist ein weiterer deutlicher Beleg dafür, dass die jetzige schwarz-grüne Regierung den ländlichen Raum sträflich vernachlässigt.

Nicht anfreunden kann ich mich mit großen Teilen der vorgesehenen millionenschweren Investitionen im Gebäude der ehemaligen Realschule, die zudem nicht durch Förderprogramme finanziell abgemildert werden. Neben pauschal 1,44 Millionen Euro für eine sogenannte „Sanierung“ sind 90.000 Euro für die Anschaffung von zwei Lehrküchen eingeplant. Unstrittig sind für mich die Teilbereiche für die Musikschule und die Volkshochschule im Erdgeschoss und im Souterrain. Doch 90% der investiven Summe sind für Maßnahmen vorgesehen, denen ich in großen Teilen nicht vorbehaltlos zustimmen kann. In den vergangenen Jahren haben wir eine beträchtliche sechsstelligen Summe in den Einbau von zahlreichen Brandschutztüren, eine Alarmanlage sowie in die Ertüchtigung der Elektroinstallation investiert. Wieso jetzt noch einmal hunderttausende Euro für Brandschutz- und Elektrotechnik verausgabt werden sollen, erschließt sich mir nicht.

Jahrzehntelang hatte die damalige Realschule um den Austausch der teilweise nur einglasigen und daher Energie verschwendenden Fenster gebeten. Damals ging es unserer Stadt finanziell erheblich besser als heute. Doch immer wieder hieß es, ein Austausch der Fenster sei nicht finanzierbar.

Jetzt aber, bei einem Allzeithoch des Defizits in unserem Haushalt, gilt dieser Vorbehalt nicht mehr!

Der Verdacht liegt nahe, dass der finanzielle Vorbehalt deshalb nicht mehr gilt, weil nach der Abwicklung der Realschule nun die von der Ratsmehrheit bevorzugte Schulform in den Genuss dieser hohen Investition kommen soll.

Wie beim nächsten Beispiel sehe ich hier nicht nur echte, sondern auch notwendige Möglichkeiten, fehlende Haushaltsmittel einzusparen.

Jahrzehntelang teilten sich mit der Realschule und der Gesamtschule zwei Schulen eine Lehrküche. Nun aber soll eine einzige Schule, nämlich die Gesamtschule, zwei Lehrküchen erhalten, wodurch nicht nur erhebliche kostenintensive Baumaßnahmen erforderlich werden, sondern wofür zudem im Haushaltsentwurf Einrichtungskosten von 90.000 Euro eingeplant sind. Angesichts unserer prekären Situation ist hier jedoch mehr Bescheidenheit statt weniger das Gebot der Stunde. Welche Zeichen verbreiten wir in der Bevölkerung, wenn wir solche Investitionen in schwieriger Zeit tätigen frei nach dem Motto: „Jetzt kommt es nicht mehr darauf an. Also verjubeln wir den Rest unseres Geldes!“?

In finanziell schwieriger Zeit wie dieser müssen alle lernen zu verzichten, damit wir nicht eines Tages gezwungen sein werden, die Bürgerinnen und Bürger sowie das Gewerbe mit noch höheren Realsteuern zu belasten. Zudem sollten wir uns davor hüten, die nächste Generation mit einem immer höheren Schuldenberg zu überlasten. Ich erinnere daran, dass sich dieser Schuldenberg neben den bislang ausgewiesenen Schulden im Jahr 2026 um mehr als 20 Millionen Euro erhöhen wird, wenn die sogenannten „außerordentlichen Erträge“ nach dem Isolierungsgesetz aufgelöst werden müssen.

Somit gibt es zurzeit für zusätzliche freiwillige Leistungen keinerlei Spielraum, so wünschenswert sie sein mögen, und ist bei Investitionsvorhaben eine erheblich höhere Bescheidenheit als in den letzten Jahren dringend erforderlich.

Wenn auch teilweise mit Bauchschmerzen, konnte ich den vergangenen Jahren den Haushaltsentwürfen zustimmen. Dieses Jahr ist es anders. Mit einer Zustimmung würde ich die von mir kritisierten Ausgabenwünsche letztlich bewilligen. Das wäre unglaubwürdig. Mir fehlt in Teilen des Haushaltsentwurfs ein sichtbares Zeichen echten Sparwillens. Andererseits ist anzuerkennen, dass die wesentlichen Faktoren, die zu unserer Haushaltsmisere führen, fremdbestimmt, folglich nicht eigenverschuldet sind.

Somit bleibt mir in diesem Dilemma nichts anderes übrig, als mich bei der Abstimmung über den Haushaltsentwurf zu enthalten.


18. April 2023

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